Eins bleibt uns in diesem Jahr garantiert erspart: Anders als im letzten Jahr wird nicht der 1. April der wärmste Tag des Monats sein. Die Ausgabe 2022 besinnt sich seiner Pflichten als Frühlingsmonat, kälter zu starten als zu enden. Ansonsten dürfte auch das diesjährige Exemplar seinem launischen Ruf gerecht werden. Wie so oft sind auch diesmal Prognosen für die zweite Monatshälfte nahezu unmöglich: Die Langfristmodelle zeigen nicht mal ansatzweise einen Trend, wie es nach Ostern weitergehen soll – wir müssen uns also einmal mehr überraschen lassen.

Egal, welche Laune der April gerade an den Tag legt: Der Zaunkönig ist nie zu überhören (Aufnahme vom Ostermontag 2021)
Um die Schwierigkeit der April-Prognose zu verdeutlichen: In den letzten elf Läufen des Langfristmodells CFS beträgt die Spannweite der Temperaturabweichung am nördlichen Alpenrand zwischen -6 und +3 Grad. Letzteres erscheint angesichts eines ziemlich sicher deutlich unterkühlten ersten Monatsdrittels zwar nicht unmöglich, dann müsste aber irgendwann in der zweiten Monatshälfte eine längere frühsommerliche Phase folgen. Das kälteste Szenario ist auch nur dann möglich, wenn die jetzt in der Mittelfrist gezeigte feucht-milde Phase zur Monatsmitte ausbleibt und es bis zum Ende unterkühlt bleibt. Für die Monatsprognosen müssen auch immer die Wahrscheinlichkeiten mit einfliessen, und da gilt nun mal: Extreme sind selten und können nur berücksichtigt werden, wenn die Modelle eindeutig in eine solche Richtung tendieren (wie bei der Trockenheit im März oder der Milde im Februar, um zwei jüngste Beispiele zu nennen).
Folglich kann der ausgewählte Modelllauf nur den kalten Start und eine etwas mildere Woche vor Ostern berücksichtigen und muss eine neutrale zweite Monatshälfte enthalten. Gerechnet wird mit einer deutlich negativen Geopotenzial-Anomalie mit Zentrum über der Ostsee, die auch ganz Nord- und Osteuropa umfasst. Als Gegenpol sollen positive Anomalien über Südosteuropa und über der Biskaya wirken. Die häufigsten Grosswettertypen sind Nord und Nordwest bis West im ersten Drittel, in der Folge West bis Südwest zur Monatsmitte. Die Zeit nach Ostern liegt völlig im Dunkeln und kann entsprechend der langjährigen Statistik für Überraschungen in alle Richtungen gut sein. Eher unwahrscheinlich in diesem Szenario sind lang anhaltende mitteleuropäische Hochdrucklagen oder Südlagen.
Weite Teile Europas, insbesondere das nördliche Mittel- und Osteuropa dürften bei dieser Ausgangslage deutlich (= etwa ein bis zwei Grad) unter dem langjährigen Temperaturmittel landen. Das südwestliche Mitteleuropa kommt dank des zeitweiligen Hochdruckeinflusses aus Westen wohl mit einem knappen Minus davon. Ein leichtes Plus wird in den Nordföhngebieten der Südalpen, in Teilen des westlichen Mittelmeergebiets und auf der Iberischen Halbinsel gerechnet, ein deutliches ab Süditalien ostwärts mit bis zu +3 Grad in der Südtürkei.
Die deutlichsten Niederschlagsüberschüsse werden im nördlichen Mitteleuropa, insbesondere rund um die Ostsee gerechnet, aber auch die Nordstaugebiete der Alpen und der Mittelgebirge können mit einem Plus rechnen. Eine trockene Zunge soll von der Biskaya bis knapp in die Westschweiz reichen, aber auch die Süd- und Ostalpen werden wohl leicht zu trocken. Fast gänzlich ohne Niederschlag soll es von Süditalien bis in die Westtürkei bleiben.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Schneefall und Frost in den ersten Tagen dieses Aprils gefährden die Brut früher Bodenbrüter wie Kranich, Kiebitz und dem Schweizer Vogel des Jahres, der Feldlerche. Leider zeigt uns auch dieses Jahr wieder, dass ein milder Winter und ein sonniger März späte Rache nach sich ziehen können, denn Kaltluftausbrüche im April finden trotz globaler Erwärmung immer noch regelmässig statt. Die Schäden, die das Erfrieren von Obstblüten zur Folge haben, sind für uns wenn nicht sogar direkt auf dem Küchentisch, so doch zumindest im Geldbeutel spürbar. Das andere Drama, das sich fast alljährlich in der Natur abspielt, verläuft leise und von den Medien unbeachtet. Aufgrund des meist hochdruckbestimmten Wetters in Südosteuropa ist es möglich, dass Südostzieher im östlichen Mitteleuropa früher zurückkehren als die Südwestzieher weiter westlich.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur in ca. 1500 m Höhe gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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