2021 scheint das Jahr der durchschnittlichen Monate zu werden, zumindest was die Mitteltemperatur betrifft. Wobei dieses Mittel aus extrem kalten und extrem warmen Perioden zusammengeschustert wird. Die aktuellen Aussichten machen nicht den Anschein, als ob sich dies für den April ändern soll. Wir starten mit aussergewöhnlicher Wärme, doch die kalte Klatsche ist bereits direkt vom Nordpol zu uns unterwegs. Stellt sich nur die Frage, wen sie genau und für wie lange trifft. Richtig schlau wird man aus den sich ständig ändernden Karten nicht: Der April macht bekanntlich was er will.
Zu den saisonal an sich schon schwierigen Voraussetzungen für eine gute Prognose kommt erschwerend hinzu, dass uns derzeit die üblichen Modellkarten mit den Einzelläufen nicht zur Verfügung stehen – ein Brand im Rechenzentrum von Strassburg hat am 10. März die Server zerstört, auf denen diese Karten gerechnet werden. Zwar gibt es Ausweichmöglichkeiten auf andere Anbieter, diese haben aber nicht genau jene Karten im Programm, auf die wir unsere Arbeit normalerweise stützen. Ein Versuch ist es trotzdem wert, auch wenn es noch mehr Glaskugelleserei wird als sonst…
Erst seit einem Tag sind die Mittel- und Langfristmodelle auf einen massiven Kälteeinbruch eingeschwenkt, der uns offenbar länger beschäftigen dürfte. Nicht der erste über die Ostertage ist das Problem, der nur die östlichen Gebiete Mitteleuropas betrifft, sondern der nächste in der Woche nach Ostern. Dessen Stossrichtung wurde lange sehr unterschiedlich gerechnet, nun zeichnet sich ab, dass er sich über Westeuropa einnistet. Die letzten vier Läufe zeigen bei der Verteilung des Geopotenzials für den Gesamtmonat ein einheitliches Bild: Zwei mächtige Hochdruckgebiete blockieren die nordhemisphärische Westwindzirkulation komplett. Der erste erstreckt sich vom Kanadischen Archipel bis zu den Azoren, der zweite von Westrussland bis ins östliche Mittelmeer. Dazwischen erstreckt sich ein gewaltiger Trog von Spitzbergen bis Marokko. Damit festigt sich der Trend der letzten Jahre zu Troglagen über West- und Mitteleuropa, je nachdem wo sich die Trogachse genau befindet. Für Mitteleuropa bedeutet dies: Nord- und Südlagen im Wechsel, mal kalt mal sehr warm, also das was wir bereits aus Februar und März bestens kennen. Auf eine Zonalisierung und somit Durchbruch von Westlagen braucht man unter diesen Voraussetzungen im Frühling nicht zu warten, allenfalls wäre sie wie Mitte März ein kurzes Intermezzo.
Die daraus folgende Temperaturverteilung zeigt ein zu kaltes Westeuropa, wobei die hier verwendete Karte das Mittel aus den letzten zwölf Läufen = drei Tage zeigt, die Verschärfung des Kälteeinbruchs ist somit erst teilweise enthalten. Machen wir uns darauf gefasst, dass die negative Abweichung von den Britischen Inseln bis nach Spanien unter Umständen noch deutlicher wird. Osteuropa könnte bei häufigerer Südlage hingegen noch wärmer werden als aktuell gerechnet, was wiederum zur Folge hat, dass das Ost-West-Gefälle über Mitteleuropa markanter wird als gezeigt. Bei den unsteten Rechnungen der Modelle wäre es allerdings auch nicht erstaunlich, wenn sich die Verhältnisse in der zweiten Monatshälfte genau umkehren und sich die Sache im Monatsmittel ausgleicht.
Die Trogvorstösse über West- und Mitteleuropa bringen vor allem in der Nähe von Gebirgen deutliche Niederschlagsüberschüsse. Dass sowohl die Nord- wie die Südseiten ordentlich gewässert werden sollen, spricht für die Theorie, dass die Feuchte mal von Norden, mal von Süden zu uns gelangt. Dort, wo keine Staueffekte auftreten, etwa im östlichen Mitteleuropa oder in Norddeutschland, dürfte der Monat insgesamt sogar zu trocken werden. Hier sind zufällige Schauertreffer lokal entscheidend. Der Gegensatz in Skandinavien rührt daher, dass bis vor zwei Tagen noch häufig Nordwestlagen gerechnet wurden, sich folglich der Regen an der norwegischen Küste staut und Südschweden trocken bleibt. Das darf in diesem Ausmass nach dem neuesten Trend in Frage gestellt werden.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
In der ersten Monatshälfte werden Südwestzieher auf der Iberischen Insel ausgebremst, sei es durch häufigen Regen oder Gegenwind. So mancher Langstreckenzieher könnte daher im westlichen Mitteleuropa später eintreffen als üblich (z.B. Teichrohrsänger, Fitis, Nachtigall). Südostzieher sind hingegen bei häufiger trockenen Verhältnissen und Rückenwind begünstigt. Noch offen sind die Auswirkungen des Kälteeinbruchs bezüglich Schneefälle bis in tiefe Lagen. Sie sind in der Woche nach Ostern durchaus wahrscheinlich, entscheidend für die Nahrungsverfügbarkeit der Vögel wird die Dauer dieser Lage sein. Ungut ist der Trend zur Trockenheit im östlichen Mitteleuropa, hier war bereits der März sehr trocken und die flachen Gewässer warten dringend auf Nachschub.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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