Der Oktober ist der April des Herbstes. In den letzten Jahren hat dieser Monat immer häufiger mit Extremwetterlagen auf sich aufmerksam gemacht, wobei sehr warme Witterungsphasen und erste Wintereinbrüche oft nur kurz aufeinander folgten. Mal zeigt sich der Oktober permanent von der warmen Seite wie 2014 und 2011, mal bringt er Achterbahnfahrten wie 2012 oder er beginnt spätsommerlich um zur Monatsmitte winterlich und stürmisch zu werden wie 2009. Dabei weisen die Herbstmonate in Mitteleuropa im Schnitt die geringste Erwärmungstendenz auf, werden aber insgesamt deutlich feuchter. Lange Hochdruckphasen mit dem typischen goldenen Oktoberwetter sind zwar immer wieder mit von der Partie, sind aber keine verlässlichen Singularitäten mehr.

Was passt besser zum Goldenen Oktober als ein Wintergoldhähnchen? Aufnahme vom 24.10.2012 im Wallis auf 1800 m Höhe
Die Rechnungen vom Langfristmodell CFS sind von Lauf zu Lauf sehr variabel. Dies deutet auf ein wildes Potpourri an Grosswetterlagen hin, wobei keine der Grosswettertypen eine Übermacht bekommen dürfte. Der von uns als am plausibelsten eingeschätzte Lauf zeigt eine deutlich negative Druckanomalie über den Azoren bzw. nördlich davon bis knapp zu den Britischen Inseln reichend. Im Gegensatz dazu wird der Druck in rund 5500 m Höhe von Island bis Skandinavien deutlich über der Norm erwartet, was eine schwache Westwinddrift zur Folge hat. Auch weite Teile Mittel- und Südeuropas liegen unter leicht übernormalem Druck. Somit sind meridionale Strömungsmuster (Nord, Ost, Süd) dominierend, wobei Ostlagen ein leichtes Übergewicht bekommen. West- und Südwestlagen treten wohl nur kurzzeitig auf und sind vor allem auf Tiefdruckgebiete zurückzuführen, die aus ehemaligen Tropenstürmen bestehen und den Weg über den Atlantik bis vor die Westküsten Europas finden.
Der von uns präferierte Modell-Lauf zeigt über ganz Europa eine positive Temperaturanomalie von 1 bis 3 Grad mit nur sehr lokalen Abweichungen nach oben oder unten. Aufgrund der aktuell sehr warmen Meere, insbesondere im Osten des Kontinents (Ostsee, Schwarzes Meer, östliches Mittelmeer), ist dieses auf den ersten Blick extrem erscheinende Szenario gar nicht so weit hergeholt. Einzig über dem zentralen Nordatlantik ist ein deutlich zu kühles Gebiet zu sehen, das auf die dort seit Monaten vorhandenen zu tiefen Wassertemperaturen zurückzuführen ist.
Als logische Folge des hohen Luftdrucks über Nordeuropa ist dort auch von einem deutlich zu trockenen Oktober auszugehen. Nur geringe Abweichungen von der Norm zeigt ein breiter, von West nach Ost über Mitteleuropa hinweg verlaufender Streifen, wobei die Westalpen als etwas nasseres Gebiet, wahrscheinlich als Folge der zwar seltenen, aber zyklonalen (Ex-Tropentiefs) Südwestlagen herausragen. Noch deutlicher tritt diese nasse Anomalie im Gebiet zwischen den Azoren, den Kanaren und Portugal zutage. Das über dem Mittelmeer gezeigte Muster von trockenen und nassen Gebieten darf nicht 1 zu 1 als bare Münze genommen werden. Es zeigt ganz einfach dass diese Regionen von lokalen Gewittern beeinflusst werden, die in einer Monatsprognose unmöglich exakt lokalisiert werden können.
Die Mittelfristprognosen zeigen ein deutlich zu warmes erstes Monatsdrittel in nahezu ganz Europa, das wahrscheinlich die Grundlage für den insgesamt milden Oktober legt. Es ist also damit zu rechnen, dass trotz des berechneten Wärmeüberschusses ab der Monatsmitte mit kurzen Kaltlufteinbrüchen zu rechnen ist. Eine nachhaltige Einwinterung in den Alpen ist aber beim gezeigten Muster eher unwahrscheinlich.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Da nach dem milden September in Nordeuropa auch der Oktober eher warm werden soll, ist mit keinen frühen Winterfluchten nordischer Arten zu rechnen. Der berechnete Witterungsverlauf lässt weiterhin einen durchschnittlich verlaufenden Herbstzug erwarten. Seichte Gewässer in Mitteleuropa haben sich nach wie vor nicht vom trockenen Sommer erholt und weisen unterdurchschnittliche Wasserstände und somit stark reduzierte Flächen auf. An der konzentrierten Versammlung rastender Wasservögel wird sich daher in diesem Herbst kaum mehr etwas ändern. Die häufig auftretenden Ostlagen können zur Verdriftung östlich ziehender Arten nach Mitteleuropa beitragen, ein überdurchschnittliches Auftreten solcher Irrgäste ist somit als wahrscheinlich anzunehmen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur vom Klimamittel 1981-2010

Prognostizierte Abweichung der Monats-Niederschlagssumme vom Klimamittel 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
In eigener Sache: Wie zufrieden sind Sie mit den Monatsprognosen von orniwetter.info? Finden Sie sie nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Verbesserungsvorschläge und Anregungen nehmen wir über das unten stehende Kontaktformular gerne entgegen. Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als teilweise gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. In der Menuleiste dieser Seite finden Sie einen PayPal-Spendenbutton, über den Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen können. Ganz herzlichen Dank!
Sie sind nicht der Ornithologie wegen auf dieser Seite gelandet, sondern interessieren sich aus wirtschaftlichen Gründen für langfristige Wetterprognosen? Dann nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf (f.muriset@fotometeo.ch), wir unterbreiten Ihnen gerne ein Angebot mit konkreteren Prognosen für ihren gewünschten Standort, die sich von den üblichen automatischen Prognosen qualitativ deutlich hervorheben. Sie können die Arbeit von orniwetter.info auch als Sponsor unterstützen und ein Werbebanner schalten lassen.