Obwohl als Wonnemonat bezeichnet, wird der Mai diesem Ruf meteorologisch nur selten gerecht. Während der April besonders im letzten Jahrzehnt in Mitteleuropa tendenziell wärmer und trockener wurde, ist die durchschnittliche Niederschlagsmenge im Mai im Steigen begriffen. Ein Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist naheliegend: Die stärkste Erwärmung im Jahresverlauf hat sich in den April verschoben, womit warm-feuchte Luftmassen nun vermehrt nicht wie früher im Juni, sondern bereits im Mai bei uns eintreffen und besonders im Alpenraum für enorme Regenmengen bis in sehr hohe Lagen sorgen können. Da dieser Regen die noch lagernden Schneemassen aus dem Gebirge runterspült, haben sich verheerende Hochwasser in letzter Zeit im Mai gehäuft. Gleichzeitig hat sich die Gefahr von kurzen, aber mitunter markanten Kälterückfällen nicht verringert. Mit Blick auf die Hochsaison bei den Brutvögeln ist die Witterungsprognose für den Mai also besonders interessant, wenn auch nicht einfach.

Der Bruterfolg von Bodenbrütern ist nicht nur von der Temperatur, sondern auch stark von einem stabilen Wasserstand abhängig (Stelzenläufer im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, Mai 2009)
Die über den Gesamtmonat gemittelten Karten der steuernden Druckgebilde in rund 5500 m Höhe zeigen eine negative Anomalie über dem Nordatlantik südwestlich von Island und übernormalen Druck über Südwesteuropa. Auch im äussersten Nordosten Europas überwiegt hoher Luftdruck, während sich von Mittel- bis Südosteuropa eine leichte Tendenz zu unternormalem Druck zeigt. Diese Konstellation lässt eine für die Jahreszeit höhere Westwindaktivität vom Atlantik her erwarten als normal, was feuchten Luftmassen den Zugang nach Mitteleuropa ermöglicht. Die Druckverteilung lässt keine dominante Grosswetterlage erwarten, sondern deutet auf einen sehr wechselhaften Witterungscharakter hin. Dabei dürften Ost- und Südlagen eher selten auftreten, während Strömungen von Südwest über West bis Nord bessere Chancen haben. Zyklonale, also tiefdruckbestimmte Grosswetterlagen bekommen in Mitteleuropa ein Übergewicht.
Entsprechend zeigt sich bei der Niederschlagsverteilung ein deutlich zu nasser Alpenraum und ein sehr nasses Südosteuropa, während die Abweichungen im restlichen Mitteleuropa zwar in die feuchte Richtung tendieren, aber keine Extreme aufweisen. Deutlich zu trocken soll es bei dieser Druckverteilung erwartungsgemäss im westlichen Mittelmeerraum werden. Bei den Temperaturen deutet sich in weiten Teilen Europas ein überdurchschnittlich warmer Mai an, mit Ausnahme des Streifens von der Nordsee über Mitteleuropa hinweg bis zur Ägäis, wobei in Mitteleuropa ein durchschnittlicher, in Südosteuropa ein leicht zu kühler Mai erwartet wird.
Vom zeitlichen Ablauf her kann bei der aktuellen Modell-Lage mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mitteleuropa von einem warm-feuchten ersten Monatsdrittel ausgegangen werden. Somit muss dieser Wärmeüberschuss in der zweiten und dritten Dekade abgebaut werden, was für diese Zeitspanne eher unterdurchschnittliche Temperaturen erwarten lässt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Sehr späte Südostzieher wie Sumpfrohrsänger, Schlagschwirl und Karmingimpel dürften mit schwierigen Witterungsbedingungen in Südosteuropa zu kämpfen haben und somit später als üblich bei uns eintreffen. Bei Bodenbrütern droht nach den bisher meist trockenen Verhältnissen ein Verlust der Brut durch Vernässung bzw. Hochwasser an Flüssen und Seen insbesondere in Einzugsgebieten aus den Nordalpen. Sehr gute Brutbedingungen scheinen nach aktuellem Stand in weiten Teilen Nordeuropas zu herrschen.

Abweichung der Monatsmitteltemperatur am Boden gegenüber dem Klimamittel 1981-2010

Abweichung der monatlichen Niederschlagsmenge gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 (rot: nasser, blau: trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.