Im März sind die Augen aller Naturfreunde auf die Witterungsverhältnisse gerichtet, kommt doch in diesem Monat der Vogelzug so richtig in Gang. Unglücklicherweise sind die Frühlingsmonate im Jahresverlauf die launischsten und daher am schwierigsten zu prognostizieren. Die atlantische Westwinddrift kommt allmählich ins Stottern und welche Grosswettertypen dann das Zepter übernehmen werden, ist alljährlich eine Lotterie. Zwischen dem 15. und 26. Februar war der Trend des Langfristmodells CFS noch relativ klar, doch seit zwei Tagen dreht das Modell völlig am Rad und präsentiert alle sechs Stunden eine völlig andere Konstellation. Ursache dafür dürfte die aktuelle Situation mit extremen Temperaturanomalien auf der nördlichen Halbkugel und insbesondere über der Arktis sein. Für die an klimatologischen Gesamtzusammenhängen interessierte Leserschaft haben wir im Partnerblog fotometeo.ch eine ausführliche Analyse bereitgestellt. Für die Märzprognose gilt es nun also die plausibelste Variante anhand von Erfahrung und einer ordentlichen Portion Bauchgefühl zu wählen.

Noch ziert sich der Frühling 2016 wie hier in Form eines Rotmilans etwas – ob er sich bald in seiner ganzen Pracht zu zeigen getraut?
Bis vor wenigen Tagen ging das Langfristmodell CFS noch von einem starken Azorenhoch und einer permanenten Troglage über West- und Mitteleuropa aus, die neuesten Läufe zeigen nun aber total verschiedene Varianten bis hin zum anderen Extrem mit einer negativen Druckanomalie von den Azoren bis ins Mittelmeer. Unsere Wahl fiel daher auf eine Kompromisslösung, welche diese beiden Trends in sich vereinigt: Das Azorenhoch ist stärker als im langjährigen Schnitt, aber nicht extrem. Gleichzeitig etabliert sich eine positive Druckanomalie über Nordeuropa und Westrussland. Von Mitteleuropa bis ins zentrale Mittelmeer erstreckt sich eine Zone mit leicht unternormalem Druck. Anhand der bereits jetzt verfügbaren Mittelfristprognosen kann man davon ausgehen, dass die erste Monatshälfte überwiegend von Nordwestlagen geprägt sein wird, wobei die Tiefdruckgebiete immer wieder über Westeuropa in den westlichen bis zentralen Mittelmeerraum abtropfen. In der zweiten Monatshälfte dürfte sich das Azorenhoch abschwächen, die atlantische Westwinddrift kommt zum erliegen. Unter dem Regime eines Skandinavienhochs überwiegen dann wahrscheinlich Ostlagen.
Dieses Szenario bedeutet, dass uns das Azorenhoch zunächst die “kalte Schulter” zeigt: An deren Nordostflanke bringen atlantische Tiefdruckgebiete wiederholt mässig kalte Polarluft nach Westeuropa und in den westlichen Mittelmeerraum, wo die Höhenkaltluft über dem relativ warmen Wasser neue Tiefdruckbildungen verursacht. Auf deren Vorderseiten wird immer wieder sehr warme Luft aus Süden nach Osteuropa geführt, was dort für einen übernormal warmen März sorgt. Die maximalen Abweichungen gegenüber der Klimanorm liegen bei etwa vier Grad mit Schwerpunkt in Südosteuropa. West- und Mitteleuropa dürfte hingegen einen leicht kühleren März als im Schnitt erleben. Die Abweichungen gegenüber dem langjährigen Mittel liegen hier bei ungefähr -1 Grad für den Gesamtmonat, wobei die erste Monatshälfte deutlich zu kühl, die zweite hingegen eher wieder etwas wärmer als üblich ausfallen dürfte. Denn die zweite Märzhälfte soll ja unter den Einfluss von eher warmen Luftmassen aus östlicher Richtung zu liegen kommen. Osteuropa erwärmt sich schneller als sonst im Frühling, da dort die übliche Schneedecke zur Gänze fehlt und die zunehmende Sonnenenergie statt in den Schmelzprozess direkt in die Erwärmung von Boden und Luft einfliessen kann. In Skandinavien sorgt hingegen die Ostströmung für Zufuhr kalter Luftmassen aus dem immer noch schneebedeckten Nordrussland, wodurch hier die Monatsmitteltemperatur etwas unter dem langjährigen Mittel zu liegen kommen dürfte. Das völlig eisfreie Europäische Nordmeer wiederum sorgt weiter für extreme positive Abweichungen von teils über zehn Grad zwischen Grönland und Spitzbergen.
Mit der Nordwestströmung in der ersten Märzhälfte setzt sich in West- und Mitteleuropa das überwiegend trübe und nasskalte Wetter der letzten Februartage fort. In den Niederungen fällt zeitweise Schnee, der jedoch mangels klarer und kalter Nächte und dank kurzen Einschüben milderer Atlantikluft nie lange überlebt. In Mittel- und Hochgebirgslagen wächst die Schneedecke hingegen auf für die Jahreszeit übernormale Werte an. In der zweiten Monatshälfte steigt auch hier die Wahrscheinlichkeit für längere trockene Phasen. Die Tiefdruckgebiete sorgen im westlichen und zentralen Mittelmeer für Unwetter mit starken Regenfällen und eingelagerten Gewittern, mitunter kann es auch mal Schnee bis auf Meereshöhe geben. Ein eher trockener März wird für das nördliche Mittel- und Osteuropa sowie Skandinavien erwartet.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die wiederkehrenden Tiefdruckgebiete über Westeuropa können für die paradoxe Situation sorgen, dass jene Vögel welche im nördlichen Mitteleuropa ausgeharrt haben, schon bald günstige Bedingungen für eine frühe Brut vorfinden, während ihre in Südwesteuropa überwinternden Artgenossen durch garstige Verhältnisse irgendwo in Spanien oder Frankreich am Heimzug gehindert werden. Günstige Bedingungen für den Frühjahrszug finden hingegen die Südostzieher vor. Trotz wiederholter Kälteeinbrüche in der ersten Märzhälfte ist nicht mit extrem winterlichen Bedingungen wie 2013 zu rechnen. Dazu fehlen in diesem Jahr die sehr kalten Luftmassen über weiten Schneeflächen in Nord- und Osteuropa, welche damals für den strengen Dauerfrost gesorgt haben und vielen (zu) früh heimgekehrten Vögeln zur Todesfalle wurden.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur von der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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