Nach einem Jahr der experimentellen Phase mit überwiegend befriedigendem Ergebnis wagen wir nun mit der Monatsprognose einen weiteren Schritt und nehmen sie fix in den Blog auf. Ziel ist, jeweils den kommenden Monat im groben Witterungsverlauf gesamteuropäisch einzuschätzen und mögliche Auswirkungen auf die Vogelwelt anzusprechen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass eine detaillierte Wetterprognose im Langfristzeitraum auch mit den heutigen technischen Möglichkeiten nicht sinnvoll ist, es bleibt somit bei groben Tendenzen für Grossräume. Dabei wird immer auf den klimatischen Schnitt der Periode 1981 bis 2010 Bezug genommen.

Kormorane über dem Schweizer Mittelland. Blick vom Neuenburgersee Richtung westliche Voralpen, 17. März 2014
Bei Langfristprognosen für den März muss man immer ehrlich sein und vorweg nehmen, dass die Übergangsjahreszeiten die grössten Herausforderungen bezüglich Witterungsprognosen darstellen. Der März kann noch sehr winterlich daherkommen wie 2013, aber auch schon den Vollfrühling bringen wie 2012 und 2014. Oft wechseln sich jedoch winterliche mit frühlingshaften Phasen ab, wobei im Schnitt ein “durchschnittlicher” März herauskommt. Die Wassertemperaturen der uns umgebenden Meere inklusive Nordatlantik erreichen nun den tiefsten Punkt im Jahresverlauf, während der rasch steigende Sonnenstand die Kontinente von Süden her allmählich zu erwärmen beginnt. Im Hohen Norden sind die Nächte hingegen noch lang, hier findet man jetzt die jahreszeitlich geringsten Temperaturgegensätze zwischen Meer und Landmasse vor, und die Ausdehnung des arktischen Meereises erreicht das jährliche Maximum. Statistisch kann man die Auswirkungen dieser Voraussetzungen messen: Im Lauf des Frühlings nehmen die Luftdruckunterschiede zwischen Nord und Süd ab und die Westwinddrift schwächt sich ab. Tiefdruckgebiete über dem Nordatlantik entwickeln nicht mehr die Kraft wie im Spätherbst und Winter. Im Gegenzug nehmen meridionale Grosswetterlagen, insbesondere aus Nord und Ost bedeutend zu. Dies bedeutet auch eine zunehmende Wahrscheinlichkeit von Überraschungen, sprich kurzfristig unerwarteten Entwicklungen im Monatsverlauf.
Entsprechend bekundeten die Langfristmodelle auch in den letzten Februartagen grösste Mühe, sich für eine Variante zu entscheiden. Im Abstand von 6 Stunden wurden immer wieder völlig gegensätzliche Rechnungen aufgetischt: Vom extremen Märzwinter über Dauerschmuddel bis trocken-warmen Frühling war alles im Angebot. Aus diesem breiten Spektrum gilt es, die langjährige Erfahrung zu nutzen und das sinnvollste Szenario herauszupicken. Die Chance, damit eine Fehlprognose zu landen, bleibt dennoch gross genug.
Sinnvoll ist es bei der aktuellen Ausgangslage, die vom langjährigen Mittel um 1 bis 3 Grad positiv abweichenden Wassertemperaturen zwischen der Ostküste der USA und den Azoren sowie das ungewöhnlich mächtige Kältereservoir über dem Osten Kanadas und der USA zu berücksichtigen. Die Kaltluftausbrüche vom Kontinent nach Osten auf das warme Meer bei Neufundland befeuern die Tiefdruckentwicklung, sodass über den Gesamtmonat eine negative Druckanomalie von der Südspitze Grönlands über Island bis knapp vor die norwegische Küste zu erwarten ist. Gleichzeitig steilt das Azorenhoch immer wieder bis in Richtung Britische Inseln und Frankreich auf. Eine weitere positive Druckanomalie über Russland blockiert die atlantische Westströmung über Europa und zwingt Tiefdruckgebiete zum Abtropfen in Richtung Mittelmeer. Für Mitteleuropa bedeutet diese Konstellation einen lebhaften Wechsel zwischen mild-feuchten Westwindlagen mit für die Jahreszeit ungewöhnlich stürmischen Phasen, die jeweils von kurzen, aber mitunter knackigen Kaltluftausbrüchen aus Nordwest bis Nord beendet werden. In der Folge schiebt sich das Azorenhoch für ein paar Tage in Richtung Mitteleuropa, bevor die nächste Westwindphase durchgreift und den beschriebenen Zyklus von neuem beginnen lässt. Für die Temperaturverteilung bedeutet dies ein deutlich zu milder März in Nord- und Osteuropa, während der Südwesten leicht kühler wird als im langjährigen Schnitt. Irgendwo über Mitteleuropa wird die Grenze verlaufen, wir bekommen also im Schnitt einen recht durchschnittlichen März, sowohl was die Temperaturen wie den Niederschlag betrifft. Zu nass wird es in Skandinavien und im zentralen Mittelmeerraum, während Osteuropa wie auch die Westküsten mit unterdurchschnittlichem Niederschlag rechnen müssen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Früh ziehende Arten wie Kiebitz, Kampfläufer, Storch und Rotmilan haben bereits die günstigen Bedingungen im letzten Februardrittel genutzt, um nach Norden voranzukommen. Die milden Phasen im März dürften gute Zugtage bringen, dazwischen ist aber bei Kälteeinbrüchen immer wieder mit Zugstau zu rechnen. Südostzieher dürften bei der oben beschriebenen Konstellation früher ankommen als Südwestzieher, da günstige Südwinde über Osteuropa häufiger wehen, während im Westen nördliche Windrichtungen überwiegen. Extrem strenge und lang andauernde Kälteeinbrüche wie zuletzt im März 2013 mit verheerenden Folgen für die bereits angekommenen Vögel sind in diesem Jahr eher unwahrscheinlich, können jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden.

Abweichung der Monatsmitteltemperatur gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 am Boden

Abweichung der Niederschlagssumme gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als im Schnitt)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.