Die im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallene Maiprognose soll uns nicht davon abhalten, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Im Frühling 2016 waren Westlagen so gut wie abgemeldet, und das dürfte nach den heutigen Unterlagen auch im Juni vorerst noch so bleiben. Damit bleibt zwar eine gewisse Unsicherheit bezüglich der dominierenden Grosswettertypen bestehen, denn meridionale Zirkulationsformen neigen wie in den letzten beiden Monaten zu extremen Schwankungen, wenn sich Nord- und Südlagen abwechseln. Doch die Weichen scheinen anhand der Modellläufe der letzten Tage relativ eindeutig auf Ostlagen gestellt zu sein, was uns die Sache etwas vereinfacht. Nun müssen wir einfach hoffen, dass sich das Wetter diesmal auch daran hält.
Die Karten der steuernden Druckgebiete in rund 5500 m Höhe zeigen uns einen dominierenden Hochdruckblock über dem Nordatlantik, der sich von Grönland bis nach Schweden erstreckt, das Zentrum liegt etwas östlich von Island. In einigen Läufen dehnt sich diese Hochdruckanomalie bis ins östliche Mitteleuropa, oder gar als Brücke bis in den östlichen Mittelmeerraum aus, der von uns ausgesuchte Modelllauf zeigt Mittel- und Osteuropa hingegen im neutralen Bereich. Es gibt nur zwei schwach negative Druckanomlie-Gebiete: Das eine liegt über Nordwestrussland und dürfte uns nur marginal tangieren, das andere liegt über Südwesteuropa. Das Azorenhoch spielt so gut wie keine Rolle. Bei dieser Konstellation überwiegen bei uns Ost- bis Südlagen, wobei auch Hoch und Tief über Mitteleuropa gelegentlich auftreten können (die Tiefdrucklage zu Monatsbeginn ist gesichert). West- bis Nordlagen sind äusserst selten oder können sogar völlig ausgeschlossen werden.
Entsprechend weist die Abweichung der mittleren Lufttemperatur über der gesamten Nordhälfte Europas teils deutlich positive Tendenzen auf, während über dem Süden negative Signale überwiegen. Als Grenze figuriert der Alpenbogen. Hier zeigen sich am Alpennordrand die typischen positiven Abweichungen, die durch Südföhnlagen verursacht werden. Weitere Hitzepole liegen über den Landgebieten nahe des Zentrums der Hochdruckanomalie, also Island und Norwegen. Die Kältepole sollen über der Iberischen Halbinsel und in der Schwarzmeerregion zu liegen kommen.
Der häufige Tiefdruckeinfluss über Südwesteuropa ist auch bei den Niederschlagsanomalien nicht zu übersehen. Der sich von Polen über Norddeutschland nach Belgien ziehende nasse Streifen dürfte der Tiefdrucklage während der ersten fünf Tage geschuldet sein, während dieser Zeit fällt warscheinlich fast der gesamte Monatsniederschlag in dieser Region. Danach dürfte der Juni wie im übrigen Nord- und Mitteleuropa relativ trocken verlaufen. Über den Alpen bzw. auf der Alpensüdseite sind Gewitter- bzw. Südstausignale zu erkennen.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Es scheint als würde die Wetterküche nach den Kapriolen der letzten zwei Monate nun doch allmählich zur Ruhe kommen. Die Vögel profitieren von längeren trockenen und warmen Witterungsabschnitten, wobei die Hinterlassenschaften der zum Teil ergiebigen Regenfälle von Ende Mai der Vegetation und der Entwicklung von Amphibien und Insekten zugute kommen und somit den Vögeln einen reich gedeckten Tisch bescheren. Auch dürfte bei der jetzt gerechneten Konstellation die Schmelze der zum Teil noch überdurchschnittlichen Schneemengen in den Hochlagen endlich rasch voranschreiten, sodass auch die Hochgebirgsvögel mit der Brut beginnen können. Dies alles sind auch gute Nachrichten für Naturfreunde und Vogelbeobachter; ist es doch wesentlich angenehmer, dem flügge Werden des Nachwuchses bei Sonnenschein und Wärme zusehen zu können.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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