Der Juni gehört zu jenen Monaten, welche im Kalenderjahr die grösste Erwärmung während den letzten Jahrzehnten aufweisen. Frühe Hitzeperioden haben sich in letzter Zeit gehäuft und damit auch die teils verheerenden Unwetter, die mit dem Ende solcher Witterungsphasen einhergehen. Denn die Meere hinken bei der jahreszeitlichen Erwärmung den Landmassen hinterher, sodass Einbrüche sehr kühler Luft vom Atlantik her die Regel sind. Diese sind im Volksmund auch als Schafskälte bekannt, dabei leiden vor allem Jungvögel bei länger anhaltend kaltem Regenwetter. Was erwartet uns diesbezüglich im Juni 2015?
Über den Gesamtmonat gemittelt zeigt die Höhendruckkarte eine mässige negative Anomalie vom Nordmeer über Skandinavien bis Nordwestrussland. Den Gegenpol bildet eine Brücke zwischen dem leicht erstarkten Azorenhoch und einem ausgeprägten Osteuropahoch. Diese Brücke weist über dem Atlantik vor den Westküsten Europas eine Schwäche auf und mündet in eine negative Druckanomalie über der Iberischen Halbinsel und Marokko. Dies bedeutet, dass das Wetter in Mitteleuropa hauptsächlich hochdruckbestimmt wird. Atlantische Kaltluftausbrüche nehmen meist den Weg über Westeuropa nach Süden, wo sich im Bereich der Iberischen Halbinsel und dem westlichen Mittelmeer abtropfende Tiefs bilden, hinter denen sich die Hochdruckbrücke wieder schliessen kann. Zwischenzeitlich können sich Westwindlagen durchsetzen, welche aber hauptsächlich den Norden Europas betreffen und das nördliche Mitteleuropa stärker tangieren als den Alpenraum.
Demzufolge wird in Mittel- und Osteuropa ein relativ trockener und sehr warmer Juni erwartet. Über den Alpen wird eine zu feuchte Zone angedeutet, die sich durch häufige Gewitter während solcher Hoch- und Flachdrucklagen über dem Bergland erklären lassen. Dasselbe erkennt man auch über dem Karpatenbogen und über den Gebirgen Südosteuropas. Zu kühl und zu feucht wird der Westwindgürtel Nordeuropas berechnet und auf einen extrem nassen und unterkühlten Juni muss sich Südwesteuropa gefasst machen.
Die aktuellen Mittelfristkarten zeigen eine erste Hitzeperiode in Mitteleuropa vom 3. bis 7. Juni, die als gesichert angenommen werden kann. Wie lange sich diese fortsetzt, ist unsicher. Aufgrund der oben beschriebenen Druckkonstellationen kann man davon ausgehen, dass sich die Temperaturen nach dem Durchzug von Kaltfronten in Mitteleuropa jeweils rasch wieder erholen. Länger anhaltende Kältephasen sind dadurch eher unwahrscheinlich. Vieles deutet auf einen Monat mit vielen warmen bis heissen Phasen hin, die wiederholt durch kurze Kaltlufteinbrüche einhergehend mit Gewittern unterbrochen werden.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nach den wiederholten Schneefällen im Gebirge vom Mai sorgt nun die warme Witterung für eine rasche Schneeschmelze und somit Normalisierung der Verhältnisse, sodass Hochgebirgsvögel rechtzeitig zur Brut schreiten können. An den Gewässern im nördlichen Alpenvorland sind die Wasservögel damit beschäftigt, ihre durch die Hochwasser im Mai verlorene Brut zu ersetzen. Lokal eingegrenzte, durch Gewitter und Schneeschmelze verursachte Hochwasser vor allem an den Oberläufen von kleineren und mittleren Flüssen können diese aber wiederum zunichte machen. Im Flachland in der Mitte und im Osten Deutschlands sowie im Nordosten Österreichs dürfte die anhaltende Trockenheit vermehrt zum Problem werden, wenn Feuchtgebiete austrocknen und die Waldbrandgefahr steigt.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.