Nachdem die Monatsprognosen für April bis Juni in Mitteleuropa stets völlig daneben lagen, müssen wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen, ob die Veröffentlichung solcher Prognosen in der bestehenden Form bei unsicheren Lagen sinnvoll ist, wenn der Nutzen gegen Null tendiert. Normalerweise bessert sich die Prognosequalität für den Hochsommer wieder deutlich, was mit der bekannten Siebenschläfer-Regel zusammenhängt. Wie eine moderne Auslegung aussieht und welche Prognose für dieses Jahr daraus abgeleitet werden kann, haben wir im fotometeo-Blog ausgeführt. Die Prognosen hier stützen sich auf das amerikanische Langfristmodell CFS, und so war es auch diesmal spannend zu sehen, ob sich deren Modellläufe einigermassen an die Siebenschläfer-Regel halten. Leider müssen wir feststellen, dass CFS auch für den Juli eine reichhaltige Pallette an Lösungen präsentiert. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass entweder CFS unbeirrt im Frühlings-Modus weiterwurschtelt oder aber dieses Jahr die Siebenschläfer-Regel nicht zutrifft, deren Trefferquote für das südliche Mitteleuropa bei ungefähr 70 % liegt.
Der von uns ausgesuchte Lauf zeigt beim Höhendruck in rund 5500 m ein leicht stärkeres und in Richtung Portugal verschobenes Azorenhoch als zu dieser Jahreszeit üblich. Überdurchschnittliches Geopotenzial über Westrussland und der Ukraine deutet auf eine relativ beständige Blockade im Osten hin, sodass die Westwindströmung über Europa zu einer Ausweichbewegung nach Norden oder Süden gezwungen wird. Daraus entstehen immer wieder Tröge über Mitteleuropa, was sich auch in den Karten mittels negativer Druckanomalie mit Zentrum über der Nordsee manifestiert. Das in diesen Tagen noch präsente Islandtief verschwindet in den Monatskarten fast vollständig. Man kann dies nicht anders interpretieren als dass die Siebenschläfer-Regel in diesem Jahr nicht funktioniert, bzw. sich das Muster dieses Hochsommers erst nach der üblichen Siebenschläferperiode nach dem ersten Julidrittel einstellt. Nach den aktuellen Unterlagen verläuft die erste Monatshälfte in Mitteleuropa unter Westregime durchschnittlich temperiert und wechselhaft mit kurzen hochsommerlichen Phasen vor allem nach Süden hin, während die zweite Monatshälfte deutlich unterkühlt und häufig nass daherkommen dürfte.
Die Temperaturverteilung zeigt einen überdurschnittlich warmen Gürtel, der sich von der Südküste Grönlands über Island und das Nordmeer hinweg bis nach Nordrussland erstreckt. Osteuropa erscheint unter Hochdruckeinfluss ebenfalls warm. Für den grössten Teil des europäischen Kontinents werden unterdurchschnittliche Temperaturen berechnet, teilweise sogar rekordverdächtige Abweichungen, wie sie in den letzten 50 Jahren nur noch selten aufgetreten sind. Ob die nass-kalten Sommer der endsiebziger Jahre tatsächlich unterboten werden, darf anhand der heute herrschenden global höheren Temperaturen bezweifelt werden, für heutige Verhältnisse wäre ein solcher Juli jedenfalls extrem ungewöhnlich.
Die tiefen Durchschnittstemperaturen dürften auf mangelnde Sonneneinstrahlung und somit gedämpfte Tagestemperaturen zurückzuführen sein, das verrät der Blick auf die Niederschlagskarten. Wenig erstaunlich bei häufigen West- und Troglagen werden die meisten Gebiete Europas leicht bis deutlich zu nass berechnet. Ein sicherer Hafen für Sonnenanbeter wäre demnach nur der Mittelmeerraum, doch auch hier wird man vor Gewittern nicht gänzlich verschont. Im zu dieser Jahreszeit statistisch sehr trockenen Gebiet wirken sich bereits wenige Gewittergüsse auf die Abweichung zur Norm markant aus, daher die tiefrot eingefärbten Gebiete. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass der Juli im Mittelmeerraum verregnet sein wird.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Nachdem bereits der Mai und der Juni in weiten Teilen Mitteleuropas extrem nass waren, scheint der Juli nichts Neues mehr erfinden zu wollen. Insbesondere für Insekten jagende Vögel sind dies keine guten Nachrichten, ist nach den häufigen Ausfällen der Erstbrut doch auch die Zweit- bzw. Ersatzbrut bei solcher Witterung gefährdet. Besser scheint die Saison für die Vögel in Nordeuropa zu verlaufen, wo man von den Kapriolen hierzulande nur wenig zu spüren bekam. Hier war insbesondere die erste Junihälfte sehr sonnig und trocken.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als teilweise gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.