Mit dem Juli wird in Mitteleuropa der Höhepunkt der saisonalen Erwärmung erreicht. Gegenüber der alten Klimanorm 1961-90 wurde der Juli in den letzten Jahrzehnten um rund ein Grad wärmer. Ausgeprägte Hitzemonate wurden in letzter Zeit zahlreicher, im Alpenraum haben sich allerdings auch Phasen gehäuft, bei denen die Zunahme der Mitteltemperatur vor allem auf wolkenreiche und somit milde Nächte zurückzuführen ist. Der Juli 2014 ist uns diesbezüglich in bester (oder schlechter) Erinnerung als zwar durchschnittlich temperierter, aber völlig verregneter Monat. Eines ist beim Zeitpunkt der Erstellung der diesjährigen Prognose bereits recht sicher: Dieser Fall wird sich 2015 kaum wiederholen, denn das grossräumige Strömungsmuster über Europa ist ein grundlegend anderes als vor Jahresfrist.

Ein heisser und meist trockener Juli ist eine gute Basis für den Bruterfolg von Insektenjägern wie z.B. Rauchschwalben (Aufnahme vom 29.07.2009, warscheinlich Zweitbrut)
Über den Gesamtmonat gemittelt zeigt die Höhendruckkarte eine stark ausgeprägte positive Anomalie über fast ganz Nord- und Mitteleuropa mit Zentrum über der Ostsee. Der korrespondierende Bodenhochdruck hat sein Zentrum über dem Baltikum, bedeckt aber ebenfalls fast den gesamten Kontinent. Eine leicht negative Druckanomalie ist von Grönland über Island bis zu den Azoren sowie über dem zentralen Mittelmeer zu finden. Dies bedeutet eine ausgeprägte Blockade der Westwinddrift über Europa. Das Muster entspricht einer Omega-Lage, bei welcher westlich des Hochdruckzentrums (also über Westeuropa) sehr warme Luftströmungen aus vorwiegend südlichen Richtungen vorherrschen, während an der Ostflanke des Hochs über Westrussland kühlere Luft in Richtung östliches Mittelmeer vorstösst. Atlantische Störungen erreichen den Kontinent nur selten, womit sich Europa unter Hochdruckeinfluss und viel Sonnenschein seine Hitze selbst produziert.
Bei dieser Konstellation ist ein heisser Juli in fast ganz Europa zu erwarten, insbesondere im Westen, im Zentrum und im Norden. Mit einer Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittel von 3-4 Grad rückt der Juli 2015 in Mitteleuropa in die Nähe der wärmsten bisher gemessenen Monate überhaupt (je nach Region Juli 2006 oder August 2003). Kühler als üblich wird der Juli wahrscheinlich nur in Südosteuropa und in der Osthälfte des Mittelmeerraums.
Der überwiegende Hochdruckeinfluss bringt auch eine ausgeprägte Trockenheit in weiten Teilen Europas mit sich. Ausnahmen bilden die Gebirge, wo sich regelmässig Hitzegewitter entladen können. Die Gefahr von wiederholt heftigen Gewittern besteht in der Südwestströmung von Spanien über Frankreich bis nach Nordwesteuropa. Die in der Karte extrem roten Gebiete im zentralen und östlichen Mittelmeerraum sind nicht überzubewerten: Im normalerweise trockenen Hochsommer können bereits einzelne Gewitter sehr schnell das doppelte bis mehrfache eines üblichen Monatsniederschlags bringen. Die Niederschlagskarte zeigt auch, dass der nasse Westwindgürtel sehr weit nördlich, nämlich zwischen Island und Nordskandinavien verläuft.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Beste Bedingungen bringt ein trockener Juli den Insekten jagenden Arten wie Schwalben, Segler und Schnäpper, welche in diesem Sommer einen überdurchschnittlichen Bruterfolg erreichen dürften. Schwierig dürfte die Nahrungslage im Flachland für Schreitvögel werden, da nach dem bereits sehr trockenen Frühjahr viele Feuchtgebiete austrocknen und Flüsse nur noch wenig Wasser führen. Für Vogelbeobachter ist die Trockenheit auch eine Chance: Wasservögel sammeln sich in grossen Mengen an den nur noch wenig verbleibenden nassen Stellen. Ob diese Bedingungen aber auch bis zur Hauptzugzeit im August und September anhalten, ist noch völlig offen.

Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden gegenüber der Klimanorm 1981-2010

Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als im Schnitt)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.