Nach dem nicht enden wollenden Martinisommer stellt sich die Grosswetterlage genau zum Jahreswechsel grundlegend um. Das über der Südhälfte Europas lange dominierende Hoch hat sich nach Nordosten verschoben. Der Atlantik ist aber aufgrund verschiedener Konstellationen (in unserer Winterprognose von Ende November erklärt) nach wie vor sehr aktiv. Mitteleuropa wird nun zur Kampfzone zwischen dem kalten Kontinent und dem milden Atlantik. Welche Seite zu welchem Zeitpunkt wie viel Terrain gewinnt, ist nicht genau prognostizierbar, die Trends für den Gesamtmonat scheinen aber derzeit recht klar zu sein.

Im Osten werden die Lachmöwen ihre Füsschen wohl etwas häufiger wärmen müssen als im Westen (Wien, Januar 2009)
Eine nach wie vor positive Nordatlantische Oszillation (NAO+) sorgt auch im Januar für fleissige Tiefdruckproduktionen über dem Atlantik. Darüber sind sich die Langfristmodelle grundsätzlich einig. Schwierig wird die Prognose bei deren Einfluss nach Osten. Wir haben uns für einen Modell-Lauf entschieden, der die Problematik der Unsicherheit aufzeigt. Gerechnet wird eine stark negative Druckanomalie, welche von Neufundland über den gesamten Atlantik hinweg bis nach Mittel- und Südeuropa reicht. Das Zentrum dieser Anomalie liegt über Irland, ein zweiter Schwerpunkt wird über Südosteuropa berechnet. Dies bedeutet starke Tiefdrucktätigkeit mit einer leicht nach Süden verschobenen Frontalzone, Westlagen (vor allem West zyklonal und südliche Westlagen) sind dominant. Eine stark positive Druckanomalie beherrscht den ganzen Raum von Grönland über Skandinavien bis Nordrussland, wobei sie über Osteuropa leicht nach Süden ausgreift. Dies deutet möglichweise auf eine zeitweise über Mitteleuropa blockierte Westdrift hin (winkelförmige Westlage, bisweilen Südostlage).
Diese Konstellation bewirkt, dass Westeuropa häufig unter dem Einfluss milder atlantischer Luftmassen steht, während in Skandinavien und Osteuropa kalte kontinentale Luftmassen für einen unterkühlten Monat besorgt sind. Interessant ist für uns, wo genau die Grenze zwischen einem zu milden und einem zu kalten Monat zu liegen kommt. Die unten gezeigte Karte zeigt eine plausible Lösung, Abweichungen von einigen hundert Kilometern sind aber bei einer solchen Lage schnell mal möglich. Wir erwarten in Mitteleuropa einen ständigen, oft abrupten Wechsel von milden und kalten Phasen. Längere Dauerfrostphasen sind dabei in den Niederungen vor allem nach Westen hin ebenso wenig zu erwarten wie eine für längere Zeit beständige Schneedecke. Wahrscheinlicher sind solche winterliche Episoden in Ostdeutschland und Ostösterreich.
Der permanente Tiefdruckeinfluss mit Zufuhr feuchter Luftmassen vom Atlantik her bringt weiten Teilen Mitteleuropas einen überdurchschnittlich nassen Januar. Die Schneearmut in den Alpen dürfte daher rasch kein Thema mehr sein. Allerdings gilt die Schneesicherheit lediglich für Lagen oberhalb von 1200 m. Darunter ist mit den sich wiederholenden Warmlufteinschüben immer wieder mit Tauwetter und Regen zu rechnen. Trocken bleibt es anders als in den letzten Monaten in Nordeuropa, die Natur schafft also den lange ersehnten Ausgleich.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Häufige Sturmtiefs auf dem Atlantik bringen immer wieder auch Weststürme bis nach Mitteleuropa. Verdriftete Hochseevögel dürften daher im Januar auch im Binneland häufiger als üblich anzutreffen sein. Die Nord- und Ostsee weisen eine für die Jahreszeit sehr hohe Wassertemperatur auf (Nordsee 9-10 Grad, Ostsee 5-8 Grad), womit noch gewaltige Reserven bis zu einer allfälligen Vereisung auch bei längeren kalten Phasen bestehen. Winterfluchten von Wasservögeln bilden daher wohl weiterhin die Ausnahme. Flache Binnengewässer im Osten des Kontinents könnten hingegen im Lauf des Monats zufrieren. Eine wachsende Schneedecke im Hochgebirge dürfte bald zu häufigeren Ausweichbewegungen von Gebirgsvögeln in die Tallagen sorgen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur von der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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