Vor einer Woche haben wir uns mit dem Trend für den Gesamtwinter (Dez 2015 bis Feb 2016) beschäftigt und dabei feststellen müssen, dass zwar die meisten Anzeichen auf einen milden Winter hindeuten, besonders das Klimaphänomen El Niño aber für zeitweilige Überraschungen sorgen könnte. Die gesamte nordhemisphärische Zirkulation weist bereits Einflüsse von El Niño auf, diese können sich aber auf Europa vorerst nur schwach auswirken. Stärkere Einflüsse von El Niño auf unsere Witterung sind in der Vergangenheit meist erst zum Ende des Winters oder im Frühjahr aufgetreten, trotzdem stellen sie bereits in dieser Dezember-Prognose einen Unsicherheitsfaktor dar.

Seltene nordische Wintergäste im Binnenland wie diese Trauerenten fühlen sich bei uns wohl, solange die Gewässer nicht zufrieren (Neue Donau in Wien, 26.12.2009)
Die prognostizierte mittlere Druckverteilung des Langfristmodells CFS für den Dezember sieht ein sehr starkes Islandtief, das sich über das europäische Nordmeer bis nach Spitzbergen erstreckt. Als Gegenpol wird eine stark positive Druckanomalie auf dem europäischen Kontinent berechnet, wobei das Zentrum über Osteuropa zu liegen kommen soll. Der Hochdruckgürtel erstreckt sich von Neufundland über die Azoren bis nach Europa, wobei er bei den Azoren eine Schwachstelle aufweist. Dies deutet darauf hin, dass sich das bisher starke Azorenhoch im Verlauf des Monats von Austrogungen des Islandtiefs öfters nach Osten abdrängen lässt. Daraus resultieren häufige Südwest- und zeitweilige Südlagen für Mitteleuropa, die bisher starke Westdrift kommt gelegentlich ins Stottern. Ob dies nur der Anfang eines El Niño-Einflusses darstellt, der die Nordatlantische Oszillation (NAO) im weiteren Winterverlauf schwächt, ist derzeit noch nicht sicher.
Der starke Einfluss atlantischer und subtropischer Luftmassen aus den Sektoren West bis Süd sorgt für einen weiteren milden Monat in weiten Teilen Europas. Für Mitteleuropa ist mit einer Abweichung von der Klimanormperiode 1981-2010 von ungefähr zwei Grad zu rechnen, in Nordeuropa sind Abweichungen von bis zu acht (!) Grad möglich. Das blockierende Hoch über Osteuropa versperrt kontinentalen Kaltluftmassen den Weg nach Europa, hier ist also maximal mit (seltenen) gemässigten Kälteeinbrüchen aus nordwestlicher bis nördlicher Richtung zu rechnen. Wie bereits im Vormonat zeigen sich der Nordatlantik wie auch Südosteuropa und der Nahe Osten kühler als normal.
Starker Hochdruckeinfluss spricht in fast ganz Europa für einen eher zu trockenen Dezember. Einzig Nordwest- und Nordeuropa ist davon ausgenommen, hier sollen die atlantischen Tiefdruckgebiete immer wieder für Regen und Schneefälle sorgen. Ebenfalls lokale positive Signale beim Niederschlag deuten darauf hin, dass die herbstliche Unwettersaison über dem immer noch zu warmen Mittelmeer noch nicht ganz abgeschlossen ist.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Die ersten Warnschüsse des Winters Mitte Oktober und um den 20. November haben viele Vögel davor bewahrt, allzu sehr herumzubummeln und sich so bei einem ernsthaften Kälteeinbruch in Nöte zu bringen. Dennoch versuchen derzeit einige hartgesottene Exemplare die Überwinterung in Mitteleuropa. Oft weichen sie bei mässigen Kältephasen einfach in klimagünstigere Regionen in der Nähe von Seen, in Flussniederungen oder an die Küste aus. Das Wasser der Ostsee weist derzeit eine starke Temperaturanomalie gegenüber dem langjährigen Mittel auf, und bei den derzeitigen Aussichten wird sich hier eine Vereisung wohl so schnell nicht einstellen. Viele Wasservögel sind daher nicht gezwungen weiter nach Süden auszuweichen, was auf weniger Wintergäste im Binnenland hindeuten könnte. Dasselbe gilt auch für Greif- und Singvögel, die bei der unterdurchschnittlich ausgebildeten Schneedecke in Nordeuropa häufig noch gut an ihre Nahrung gelangen. Auch sind die Binnengewässer weit von einer dauerhaften Vereisung entfernt. Wintergäste, die bereits bei uns sind, können daher noch für längere Zeit beobachtet werden.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur vom Klimamittel 1981-2010

Abweichung der gemittelten Monatsniederschläge gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (blau = trockener, rot = nasser als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
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