So tropisch, dass sich der Vogel in unserem Titelbild in Mitteleuropa heimisch fühlen mag, ist es bei uns aller Unkenrufe zum Trotz noch nicht. Doch es fällt in diesem Jahr auf, dass Grosswetterlagen, die eigentlich der Jahreszeit entsprechend eher unterkühlte Verhältnisse bringen müssten, neuerdings trotzdem für Monatsmitteltemperaturen über der Klimanorm 1981-2010 sorgen. Das hat im März begonnen und zieht sich seither mit nur kurzen Unterbrechungen durch. Das Langfristmodell CFS scheint mit den Gegebenheiten in diesem Jahr allergrösste Mühe zu bekunden. Trotz eher unsommerlicher Wetterlagen mit einem logischerweise prognostizierten Minus, schafft es auch der Juli in Europa verbreitet zu positiven Abweichungen gegenüber dem langjährigen Mittel. Doch dazu mehr in der Witterungsanalyse in ein paar Tagen. Die vier letzten, vor allem die Temperatur betreffend schlechten Prognoseleistungen erfordern eine wohlüberlegte Vorgehensweise für den August.

Im August kann sich auch ein ausgebüxter Rosellasittich-Hybrid in Mitteleuropa wohlfühlen (Illmitz am Neusiedler See, 27.08.2009)
Geradezu einheitlich kann man die letzten Läufe des Langfristmodells nicht bezeichnen, doch zeichnet sich ein Trend ab, der das Zirkulationsmuster des bisherigen Sommers noch eine Weile fortsetzen lässt. Unsere Wahl fällt daher auf einen Lauf, der diese Persistenz relativ gut abbildet. Die Karte des Geopotenzials in 5500 m Höhe zeigt nur geringe Abweichungen zum langjährigen Mittel. Im hohen Norden ist eine fast durchgängige schwach positive Druckanomalie zu finden, die sich von Südgrönland bis Island ein wenig akzentuiert und erst über Westrussland deutlicher zutage tritt. Ein zweites Gebiet mit schwach positiver Abweichung liegt über Portugal. Sehr schwach ausgeprägt ist auch eine negative Druckanomalie, die sich über den gesamten Nordatlantik von Neufundland über die Britischen Inseln bis ins nördliche Mitteleuropa erstreckt. Übersetzt heisst dies, dass der August ungefähr eine Zirkulation der saisonalen Norm aufweisen dürfte, und die ist zu einem Drittel von Westlagen geprägt, während die anderen zwei Drittel je von gemischter und meridionaler Zirkulation beherrscht werden. Man kann also alleine anhand des Druckmusters nicht vorhersagen, welche Grosswettertypen neben West/Nordwest/Südwest diesen Monat noch prägen werden.
Vielleicht gibt uns die Karte mit den zu erwartenden Temperaturabweichungen einen Hinweis. Aufgrund der sehr schlecht abgebildeten (Übertreibungen in Richtung kalt) Bodentemperaturen der letzten Monate greifen wir ab sofort für das Sommerhalbjahr auf die Karte mit den 850 hPa-Temperaturen zurück. Diese Karte zeigt weniger Details, weil das Temperaturniveau in rund 1500 m Höhe nur geringfügig von topografischen Einflüssen (Gebirge, Gewässer) beeinflusst wird. Für die grobe Orientierung über die zu erwartenden Abweichungen ist sie aber in den Sommermonaten, wo keine Inversionen das Bild verfälschen, sehr gut geeignet. Sowohl über dem Nordatlantik wie auch über weiten Teilen Mittel- und Südeuropas wird ein gegenüber dem langjährigen Mittel um 1 bis 2 Grad kühlerer August berechnet. Positive Abweichungen finden wir weit im Nordosten sowie vor der Küste Marokkos. Dieses Muster verrät uns, dass neben den gemässigt temperierten Westlagen die etwas kühleren Nordwest- bis Nordlagen gegenüber den heissen Südwest- bis Südlagen im Vorteil sein werden.
Die Prognosen zum Niederschlag weisen in den meisten Teilen Europas keine extremen Abweichungen auf, der Trend zu einem leicht nasseren August als üblich ist aber erkennbar. Für einen Sommermonat ganz normal sind regional stark unterschiedliche Auswirkungen, die durch die Verteilung von Gewittern zustande kommen. Das deutlich zu nass berechnete Südost- bis Osteuropa ist ein Anzeichen dafür, dass mit der einen oder anderen Austrogung über Mitteleuropa mit Neigung zu Vb-Lagen zu rechnen ist. Bereits zwei bis drei Tage mit intensivem Niederschlag reichen aus, um eine solche Abweichung zu erzielen. Der tiefrote Bereich ist also keineswegs so zu interpretieren, dass der August in diesen Regionen völlig ins Wasser fällt.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ein eher unauffälliger August lässt einen normalen Vogelzug erwarten. Die wechselhafte Witterung mit kurzen heissen und ebenso kurzen kühlen Phasen sorgen für Spitzenzugtage während Hochdruckphasen ebenso wie Zugstau mit guten Beobachtungsbedingungen rastender Vögel während der Tiefdruckphasen. Da die aktuellen Karten keine länger andauernde Ostlage erwarten lassen, ist auch nicht mit aussergewöhnlich vielen Irrgästen zu rechnen.

Prognostizierte Abweichung der Monatsmitteltemperatur von der Klimanorm 1981-2010

Prognostizierte Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (rot = nasser, blau = trockener als normal)
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als teilweise gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.