Am 6. Mai 2013 entdeckten Françoise und Pierre Combremont im waadtländischen Grandcour in der Westschweiz fünf Vögel aus der Familie der Spinte (Meropidae). Sie staunten nicht schlecht, als sie bei genauerem Hinsehen feststellten, dass es sich dabei nicht um die hier üblichen blauen Bienenfresser handelte, sondern um grüne Blauwangenspinte (Bildbelege hier). Es handelt sich dabei um den ersten Nachweis dieser Art für die Schweiz. Wie kamen diese Vögel zu uns?

Blauwangenspint (Merops persicus) in Mozambik (Bildautor: Brian Ralphs, Berkhamsted, Hertfordshire, UK)
Die nächstgelegenen Brutgebiete des Blauwangenspints liegen in Nordafrika, genauer in Marokko und Algerien. Weitere bedeutende Vorkommen gibt es im Nahen Osten vom Nildelta über die Südtürkei bis zum Kaspischen Meer. In Mitteleuropa auftauchende Irrgäste müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit (sofern sie nicht nachweislich als Gefangenschaftsflüchtlinge gelten) aus einer dieser Regionen stammen. Solche Erscheinungen von exotischen Vögeln weit abseits ihrer Brutgebiete sind meistens mit günstigen Windverhältnissen verbunden. Welchen Weg könnten die Blauwangenspinte also genommen haben?
Da in Betracht gezogen werden muss, dass sich die Vögel bereits seit einiger Zeit unentdeckt in unserem Gebiet aufgehalten haben können, muss nicht nur das Wetter während und unmittelbar vor der Beobachtung als Erklärung herbeigezogen werden. Die Witterung im westlichen Alpenraum Anfang Mai war für die Jahreszeit eher kühl, sonnenscheinarm und im Schweizer Mittelland herrschte am Boden überwiegend eine Bisenströmung (Nordostwind) mit kurzen Einschüben aus westlicher bis nordwestlicher Richtung. Auf den ersten Blick erscheint das Auftauchen der südlichen Vögel somit unerklärlich. Erst der Blick in die Windverhältnisse in mittleren Luftschichten (1000 bis 2000 Meter) löst unter Umständen das Rätsel.
Die nachfolgenden Grafiken zeigen die Herkunft der Luftmassen vier deutscher Städte zu verschiedenen Zeitpunkten. Für uns interessant sind die roten Linien für Karlsruhe, das dem Beobachtungsort in der Westschweiz am nächsten liegt:
Man sieht also, dass zum Zeitpunkt Ende April bis Anfang Mai die Windverhältnisse für Vögel aus dem Bereich Marokko/Algerien für einen Zug nach Mitteleuropa überaus günstig waren. Die beobachteten Blauwangenspinte dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit im fraglichen Zeitraum aus diesen Gebieten zu uns gelangt sein.
Nachtrag vom 01.07.2013: Nach diversen Protesten aus dem hohen Norden unseres Sprachraums habe ich den Hinweis, dass es sich dabei um den ersten Nachweis des Blauwangenspints in Mitteleuropa handelt, editiert. Wir zählen zwar die Niederlande und Helgoland naturräumlich nicht zu Mitteleuropa, politisch jedoch schon. Ich habe daraus gelernt, dass man den unscharfen Begriff „Mitteleuropa“ bei faunistischen Nachweisen besser meidet.