Diese Entdeckung auf Spitzbergen lässt aufhorchen: In den vergangenen Tagen sind auf der norwegischen Arktisinsel vermehrt blaue Möwen gesichtet worden. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich dabei um Eismöwen (Larus hyperboreus), deren bisher rein weisser Gefiederanteil neuerdings tief blau erscheint. Dabei dürfte es sich um eine Anpassung an die stetig steigenden Temperaturen in der Arktis und die rekordtiefe Ausdehnung des Arktis-Eises handeln. Das Meer rund um Spitzbergen ist in diesem Winter weitgehend eisfrei geblieben. Die aussergewöhnliche Veränderung am Gefieder der Eismöwen lässt vermuten, dass sich die Vögel dem neuen landschaftlichen Bild anpassen, um ihre Tarnung nicht zu verlieren.
Vögel sind bekanntlich extrem anpassungsfähig und ändern ihr Verhalten rasch aufgrund klimatischer Veränderungen. So bestätigen immer mehr Studien, dass Zugvögel länger in ihren Brutgebieten verharren und dass etliche Vogelarten ihr Zugverhalten völlig umstellen. Sei es, indem sie im Winter ihr Brutgebiet gar nicht mehr verlassen, oder indem sie neue, weniger weit südlich gelegene Überwinterungsgebiete aufsuchen. Diese genetisch angeborene Verhaltensweise ändert sich zum Teil sehr rasch innerhalb weniger Jahre. Auch wird Vögeln eine ausgesprochene Affinität bezüglich des bevorstehenden Wetters zugesprochen. So sagten zum Beispiel im vergangenen Oktober Naturbeobachter aufgrund des rekordfrühen Eintreffens der in der sibirischen Tundra brütenden Zwergschwäne in ihrem Überwinterungsgebiet in Grossbritannien einen Jahrtausendwinter voraus. In der Tat wurde der Winter 2015/16 im nördlichen Polargebiet der wärmste seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen.
Fabienne Muriset, freischaffende Meteorologin, Hobby-Ornithologin und Gründerin des Portals orniwetter.info glaubt daher, dass die Blaufärbung des Gefieders von Eismöwen auf Spitzbergen ein eindeutiger Hinweis darauf ist, dass der Nordpol im Spätsommer 2016 erstmals eisfrei wird. Die Voraussetzungen dafür sind aufgrund der rekordtiefen Ausdehnung und der mangelhaften Dicke des Arktiseises gegeben. Schon seit einigen Jahren wird darüber spekuliert, dass bei ungünstigen Bedingungen der Nordpol erstmals eisfrei werden könnte. Dass die Eismöwen gerade jetzt ihre Gefiederfarbe ändern, kann aufgrund der globalen Rekordwärme, unterstützt durch das Klimaphänomen El Niño, kein Zufall sein.
Ob es sich bei den blauen Eismöwen von Spitzbergen um eine neue Unterart oder gar eine eigenständige Art handelt, wird derzeit an der Abteilung Arctic Animal Physiology am Biologischen Institut der Arctic University of Norway in Tromsø noch genetisch untersucht. Sollte sich die Vermutung bestätigen, dürfte Spitzbergen in diesem Sommer zum neuen Pilgerort der Birder werden, gilt es doch die Twitch-Listen stetig zu verlängern. Geduldige und umweltbewusste Vogelbeobachter ziehen es allerdings vor, nächsten Winter in Mitteleuropa auf die ersten blauen Irrgäste aus dem Hohen Norden zu warten.
Ergänzung vom 3. April 2016:
Selbstverständlich vertritt orniwetter.info nur am 1. April die Meinung, das Verhalten von Vögeln lasse auf die Witterung in der Zukunft schliessen. Dass die Arktis derzeit aber extrem warm ist, ist eine traurige Tatsache. Ob es schon in naher Zukunft für einen eisfreien Nordpol reicht, bleibt abzuwarten…
Die “Eismöwe” mit der akuten April-Blausucht ist ursprünglich eine Mittelmeermöwe der Unterart “atlantis” und wurde auf der Kanareninsel La Graciosa aufgenommen. Versierte Birder dürften anhand der Kopf- und Schnabelform skeptisch geworden sein. Die Beine wurden allerdings von uns mit etwas Rottönen maskiert. Hier die Originalaufnahme:
Nachtrag September 2016: Über den Zustand des Arktis-Eises zum jährlichen Minimum haben wir im Partnerblog von fotometeo.ch ausführlich berichtet.
Edith am 1. April 2016 um 16:27 Uhr
Mal sehen, ob das die nächsten Tage so bleibt….