Der Wetterlagenkalender von orniwetter.info gibt nicht nur Auskunft über die Witterung im Nordalpenbereich und in Süddeutschland, sondern führt gleichzeitig die Grosswetterlage nach Hess & Brezowsky auf. Für Laien mag diese detaillierte Aufstellung zunächst verwirrend oder gar unnötig erscheinen, doch existieren langjährige Untersuchungen, welche einen Zusammenhang zwischen Grosswetterlage und Vogelzugverhalten nachgewiesen haben. Eine kurze Einführung.

Rastende Zugvögel in Niederösterreich, August 2009 (vorne Dunkler Wasserläufer, hinten Grünschenkel, beide im Jugendkleid)
Unter einer Grosswetterlage (GWL) versteht man die mittlere Luftdruckverteilung eines Grossraums – zumindest in der Grösse Europas – über mehrere Tage hinweg (mindestens drei Tage). Die Bestimmung wird anhand der Boden- und Höhenwetterkarten vorgenommen, wobei ein gewisses Mass an Subjektitivät nicht ganz auszuschliessen ist, was auch an fliessenden Übergängen zwischen verwandten Grosswettertypen erkennbar wird. Abweichungen zwischen verschiedenen Anbietern bei der Bestimmung sind daher möglich – wobei orniwetter.info derzeit im deutschen Sprachraum wohl der einzige Wetterdienstleister ist, der die Grosswetterlagen zeitnah veröffentlicht.
Grosswettertypen sind die Zusammenfassung mehrerer verwandter GWL, die im Wesentlichen aufgrund der Luftzufuhr vorgenommen wird. Die Kürzel der GWL verraten häufig bereits die vorherrschende Windrichtung, also W für West, NW für Nordwest, N für Nord usw. Das A am Schluss steht für antizyklonal (in Mitteleuropa weitgehend hochdruckbestimmt), das Z für zyklonal (in Mitteleuropa weitgehend tiefdruckbestimmt). T steht für ein Tief, H für ein Hoch, TR für einen Trog über einer bestimmten Region. Mit diesen ersten Kürzel-Regeln kann bereits ein grosser Teil der Wetterlagen identifiziert werden. Die Details können jederzeit mit einem Klick auf das entsprechende Kürzel unter dem Wetterkalender abgerufen werden.
Wulf Gatter hat über 30 Jahre hinweg den Vogelzug am Randecker Maar in Baden-Württemberg untersucht und dabei akribisch die Wetterdaten notiert. Daraus erfolgte eine genaue Auswertung des Einflusses der verschiedenen Wetterparameter auf den Herbstzug der verschiedenen Vogelarten. Ausführlich darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Blogs bei weitem sprengen. Wer sich eingehender mit der Thematik beschäftigen möchte, dem sei das Buch „Vogelzug und Vogelbestände in Mitteleuropa“ von Wulf Gatter, erschienen 2000 im Aula-Verlag, empfohlen. Wir beschränken uns hier auf eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse.
Die Auswirkungen lassen sich aufgrund der mit der fortschreitenden Jahreszeit ändernden Witterungsverhältnisse am besten in zwei Zeiträume unterteilen: Den Spätsommer (Juli bis Mitte September) und den Herbst (Mitte September bis November). Auch die Tatsache, dass Langstreckenzieher bereits im Spätsommer, Kurzstreckenzieher und Teilzieher meist erst im Herbst unterwegs sind, machen diese Unterteilung sinnvoll.
Juli bis Mitte September:
Die folgenden GWL werden überdurchschnittlich genutzt: WA (Westlage antizyklonal), HM (Hoch Mitteleuropa), BM (Hochdruckbrücke Mitteleuropa). Hier wirken sich gute Sicht, geringe Niederschläge und schwacher Wind positiv auf den Vogelzug aus. Zudem herrscht bei diesen Wetterlagen eine überdurchschnittlich gute Thermik für Greifvögel und andere Gleiter.
Diese GWL bringen den Vogelzug nahezu zum Erliegen: NWZ (Nordwest zyklonal) und TRM (Trog über Mitteleuropa). Beide Wetterlagen bringen häufig Niederschlag und schlechte Sicht. Der Nordwestwind könnte zudem von SW-ziehenden Vögeln wegen der Gefahr durch Verdriftung durch zu starken Seitenwind gemieden werden.
Mitte September bis November:
Häufig genutzte GWL sind: SWA (Südwest antizyklonal), WZ (West zyklonal), SWZ (Südwest zyklonal). Bei SWA wird trotz Gegenwind die gute Sicht bei niederschlagsfreiem Wetter genutzt. Bei WZ und SWZ sorgen die günstigen Bedingungen auf den Rückseiten der Tiefs für Spitzenzugtage nach erfolgtem Zugstau während des niederschlagsreichen Frontdurchgangs.
Gemieden werden folgende GWL: TRM (Trog über Mitteleuropa), HM (Hoch Mitteleuropa) und HB (Hoch Britische Inseln). Bei TRM herrschen die gleichen ungünstigen Bedingungen wie im Spätsommer. Während HM im Spätsommer noch stark genutzt wird, ist sie im Herbst mit häufig hartnäckigem Nebel und Hochnebel verbunden – ebenso die Lage HB (= Bisenlage im Schweizer Mittelland, bzw. Ost- bis Nordostwind im gesamten Alpenvorland).
In folgenden Blogbeiträgen wird noch etwas vertiefter auf die einzelnen Wetterparameter und ihren Einfluss auf das Zuggeschehen eingegangen.