Ein heisser Frühsommer soll dem Hochsommer eher wenig zuträglich sein, heisst es. Diese Regel trifft bestimmt nicht immer zu (2003 und 2015 sind gute Gegenbeispiele), doch in diesem Jahr könnte sie sich wieder mal erfüllen. Erklären kann man dies mit einer Art europäischem “Sommermonsun”: Erhitzt sich der Kontinent stark, muss die dort aufsteigende Luft in tieferen Schichten ersetzt werden, und in unseren Breiten geschieht dies in der Regel aus Westen, also vom kühleren Atlantik her. Da sich gleichzeitig zum Sommer hin die Westwindzirkulation in den höheren Luftschichten nach dem statistischen Minimum im Frühling wieder erholt, ergibt dies in Kombination den typischen mitteleuropäischen Sommer: wechselhaft zwischen sehr warmen und kühlen Phasen mit viel Niederschlag.
Nach dem vor allem im südlichen Mitteleuropa heissen Juni ist sich das Langfristmodell CFS in seinen letzten zehn Läufen weitgehend einig: Der Juli wird von Westlagen dominiert sein. Die meisten Modell-Läufe unterscheiden sich nur in Details, sodass es schwierig ist, “den” richtigen herauszupicken. Wahrscheinlich wird es im Endeffekt aber auch keine grosse Rolle spielen. Andersrum bedeutet diese Einigkeit, dass die Wahrscheinlichkeit einer Fehlprognose deutlich sinkt, oder anders gesagt: Die Prognosekonsistenz ist wie schon im Vormonat Vertrauen erweckend. Na dann wollen wir mal sehen…
In der Karte der steuernden Druckgebilde in höheren Luftschichten wird ein relativ stabiles und durchgehendes Band von Tiefdruckanomalien von Neufundland über den Nordatlantik hinweg nach Schottland und Skandinavien gezeigt. Der subtropische Hochdruckgürtel von den Azoren zum Mittelmeer wird normal berechnet, es gibt eine schwache positive Abweichung über dem Atlantik vor Portugal und eine etwas stärkere über Südosteuropa. Zwischen diesen Bändern stellt sich somit eine gesunde, relativ straffe Westströmung ein, wobei die Frontalzone im Schnitt auf der Höhe Irland-Dänemark-Baltikum zu liegen kommt. Westlagen werden somit den Juli 2017 deutlich dominieren, für andere Grosswettertypen ausser kurzen Phasen der gemischen Zirkulation (Nordwest, Südwest, Hoch, Brücke und Tief Mitteleuropa) wird da kaum viel Platz sein.
Weite Teile Europas und der angrenzenden Meere werden normal bis leicht unterdurchschnittlich temperiert berechnet (wobei die Karte unten nicht die Abweichung am Boden, sondern in 1500 m Höhe zeigt: In den tiefen Luftschichten wird aufgrund der überdurchschnittlichen Wassertemperaturen auch eine positive Anomalie im Nordmeer erwartet). Nur in den erwähnten Gebieten mit überdurchschnittlichem Hochdruck in Portugal und Südosteuropa weisen die Berechnungen eine leicht positive Temperaturanomalie auf. Mitteleuropa wird ungefähr im langjährigen Schnitt landen, wobei es ein leichtes Südost-Nordwest-Gefälle gibt: Ein leicht wärmerer Juli ist somit – unterstützt durch Föhneffekte – im östlichen Alpenraum und auf der Südseite wahrscheinlich, während in Nordseenähe ein leicht unterkühlter Monat resultieren dürfte, der ungefähr der älteren Klimanorm 1961-90 entspricht.
Aufgrund der Westlagendominanz werden weite Teile Mitteleuropas mit einem niederschlagsreichen Juli rechnen müssen. Insbesondere die West- bis Nordwestflanken von Alpen und Mittelgebirge werden wohl in den Genuss (aufgrund des aufsummierten Niederschlagsdefizits des ersten Halbjahres sei diese Wertung ausnahmsweise erlaubt) eines deutlich zu nassen Monats kommen. Keine Entlastung in Sachen Trockenheit kann man östlich und südlich der Alpen erwarten, da diese sich bei Westlagen häufig im Regenschatten befinden. Auf der Niederschlagskarte unten kann man auch sehr schön die durchschnittliche Zugbahn der Tiefdruckgebiete über den Nordatlantik nach Skandinavien erkennen. Die tiefroten Flecke im Mittelmeerraum sind wie immer im Sommer nicht als Alarmzeichen, sondern als mögliche, nicht geografisch präzis gerechnete Gewitter zu deuten, welche punktuell rasch zu hohen Abweichungen gegenüber der langjährigen Norm führen können und wahrscheinlich nicht die hier gezeigte Ausdehnung aufweisen werden.
Auswirkungen auf die Vogelwelt:
Ein durchschnittlicher Juli mit wechselhaftem Wetter, wenig Wahrscheinlichkeit zu langen trockenen Hitzeperioden, aber ebenso kaum zu Dauerregen neigender Witterung ist eigentlich das beste, was der Natur widerfahren kann. Lokale Unwetter sind natürlich immer eine Option, doch grossräumig dürfte dieser Monat der Vogelwelt günstig gestimmt sein. Ungünstig hingegen ist die Witterung wie schon in den vergangenen Monaten in den Regionen östlich und südlich der Alpen für Arten, welche Jagd auf grosse Insekten, Süsswasserfische und Amphibien machen. Seichte Gewässer werden hier – sofern dies nicht schon längst geschehen ist – bald trocken fallen. Durch Dürre und Waldbrände leidet nicht nur die Vegetation, sondern die ganze Nahrungskette.
Die experimentelle Monatsprognose nimmt Trends über die zu erwartende Entwicklung der Grosswetterlage in Europa auf und soll mögliche Auswirkungen der Witterung auf Vogelzug, Bruterfolg und Nahrungsverfügbarkeit der Vögel in den verschiedenen Regionen aufzeigen. Die Einschätzungen über Abweichung von Temperatur und Niederschlag sind jeweils über den Gesamtmonat gemittelt und können somit auch sich ausgleichende Extreme enthalten. Eine genaue Prognose über den detaillierten Witterungsverlauf ist in der Regel nicht möglich. Erfahrungsgemäss stimmt der Trend für die erste Monatshälfte recht gut, während in der zweiten Monatshälfte die Wahrscheinlichkeit von markanteren Abweichungen gegenüber der Prognose zunimmt.
Eine Verifikation der Langfristprognose für den vergangenen Monat mit einem Rückblick der Witterung in Europa finden Interessierte jeweils ab dem 4. des Folgemonats im Blog der Partnerseite fotometeo.ch.
Finden Sie die Prognosen und Artikel von orniwetter.info nützlich und möchten sie nicht mehr missen? Da die Schaltung von aufdringlicher Werbung nicht nur viele Leser verärgert, sondern bei einer relativ wenig frequentierten Seite auch finanziell kaum etwas bringt, ist orniwetter.info als gemeinnütziges Projekt eines Kleinstunternehmens in einem schwierigen Marktumfeld auf freiwillige Unterstützung dringend angewiesen. Über den PayPal-Spendenbutton können Sie unkompliziert die Wertschätzung für diese Arbeit zum Ausdruck bringen und sichern somit den Fortbestand dieses kostenlosen Angebots. Ganz herzlichen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.